Aktien als Schutz vor Inflation * Nifty Fifty Aktien-Boom?

Aktien als Schutz vor Inflation sind grundsätzlich eine gute Sache. In der Nifty Fifty Zeit in den 1970er hat man auch genau dies geglaubt.

Das Schreckgespenst Inflation, zumindest für den typischen Deutschen – so sagt man, flammt derzeit in den Medien wieder auf. In den USA steigen derzeit die Zinsen – vor allem der 10-jährigen US-Staatsanleihe. Ist dies der Vorgeschmack auf das was uns noch erwartet?

In diesem Video stellen wir uns die Frage, ob Aktien – insbesondere von Unternehmen mit hohen Wachstumsraten – als Schutz vor Inflation taugen. Die Antwort hierauf ist rational betrachtet einfach: JA. Zumindest für Aktien von Unternehmen die ihre Preise problemlos erhöhen können.

Jedoch sollten wir nicht dem Trugschluss erliegen, dass wir Unternehmen oder sogar den ganzen Markt als Index ohne genaueren Blick auf die Bewertung zu jedem Preis kaufen sollten.

Investoren vor unserer Zeit mussten mit Blick auf die nächsten 3-5 Jahre die schmerzhafte Erfahrung machen, dass hoch bewertete Unternehmen keinesfalls ein guter Schachzug zum Schutz vor Inflation waren.

Aber auch hier gilt, es gibt immer wieder Ausnahmen.

Aktuelle Bewertung des S&P 500 – Shiller CAPE Ratio

Um die heutige Zeit historisch bestimmen, holen wir uns den Rat von einem Nobelpreisträger.

Robert Shiller hat das CAPE Ratio (cyclically adjusted price-to-earnings ratio) – auch Shiller KGV genannt – entwickelt. Dabei wird das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis eines Unternehmens oder eines Index der letzten 10 Jahre inflationsbereinigt ermittelt und historisch verglichen.

Derzeit liegt das CAPE Ratio mit 36,16 historisch betrachtet auf den 2. höchsten Stand der Geschichte:


Quelle: Multpl.com

Inhaltlich heißt dies so viel wie es würde aktuell ~36 Jahre bei gleichbleibenden durchschnittlichen Gewinnen dauern, sein eingesetztes Kapital zurückzubekommen. Mit Blick auf den S&P Index fand Shiller heraus, dass ein hohes CAPE-Ratio niedrigere Renditen in den nächsten 20 Jahren mit sich gebracht hat.

Ist es diesmal aber anders? Warum kauft überhaupt jemand auf diesem Niveau?

Wachstum und Anlagealternativen!

Die aktuelle Corona-Krise war und ist für die Wirtschaft weltweit eine Zäsur. Ohne staatliche Interventionen wie z.B. in Deutschland das Kurzarbeitergeld, das Aussetzen der Insolvenzantragspflicht (endet derzeit offiziell Ende Apr-2021) und riesige Konjunkturpakete stützen die Unternehmen und überbücken die Krise. Die Folge daraus sind vor allem ausufernde Staatsschulden.

Gerade die US-Amerikaner setzen derzeit auf schuldenfinanzierte Programme. Zum einen Kaufen sie sich mit dem bereits umgesetzten 1,9 Billionen USD großen Konjunkturprogramm in Form von Helikoptergeld (1.400 USD für jeden US-Bürger) zur Steigerung des Konsums
6%-Wirtschaftswachstum. Zusätzlich ist ein weiteres 2 Billionen USD großes Infrastrukturpaket „Rebuild Infrastructure and Reshape the Economy“ als weiterer Wachstumstreiber in Sicht. Letzteres soll rund 20.000 Meilen Straße und 10.000 Brücken in Stand setzen und zusätzlich die Industrie in Richtung Klimawandel bringen.

Diese Maßnahmen sind ein gewaltiges Wachstumspaket. Wachstum und steigende Staatsverschuldung lassen jedoch auch die Inflation und vor allem auch die Zinsen steigen.

Wachstum befeuert die Zinsen, Aktien & Inflation

Mit Blick auf die Zinsen sind wir immer noch auf einem historisch betrachteten tief. Die als risikolos geltende 10-jährige US-Staatsanleihe liegt aktuell bei 1,71%. Unter Einbeziehung der Inflationsrate von derzeit rund 1,7% Ende Feb-2021 liegt der Zins also immer noch bei 0%. Würden man jedoch die reale Inflation (gefühlte Inflation), also nicht die vom Staat ermittelte Inflation einfließen lassen, läge der Zins im Minus!


Quelle: cnbc.com

In Deutschland lieg die 10-jährige Staatsanleihe übrigens bei -0,325%.

Der Zins, vor allem die 10-jährige US-Staatsanleihe ist der Schlüssel für die weitere Entwicklung des Kapitalmarktes. Sollten diese weiter steigen, vor allem schneller als die Inflation, würde dies eine größere Rotation von Kapital aus dem Aktienmarkt in festverzinsliche Wertpapiere befeuern.

Da wir alle keine Glaskugel haben, die zeigt was die Zukunft wirklich bringt, ist aus Investorensicht ein Blick auf historische Ereignisse mit ähnlichen Entwicklungen und vor allem Verhaltensmustern hilfreich.

Nifty Fifty Aktien-Boom

Die so genannten Nifty Fifty-Aktien waren die Apples, Amazons und Googles in den 70er-Jahre. Sie galten als die „Einmal Entscheiden-Aktien“, sprich als Aktien für die Ewigkeit. Dazu zählten immer noch prominente Namen wie Coca Cola, McDonald’s, Walt Disney, Merck usw.

Diese Unternehmen wiesen vor allem die auch für uns als Value Investoren wichtigen Faktoren auf:

  1. Starke, weitestgehend schuldenfreie Bilanzen
  2. Hohe Gewinne
  3. Attraktive Wachstumsraten

Es galt vor allem das Credo: Kaufen zu jedem Preis, da das Wachstum früher oder später jede Bewertung rechtfertigt. Die Finanzindustrie und Medien haben sich hier inhaltlich und vertrieblich drauf eingeschossen. As Kaufargument galt auch, dass Aktein als Schutz vor Inflation helfen. Die Euphorie kannte keine Grenzen.

Dem Trend ging voraus, dass die USA gerade den Vietnam-Krieg hinter sich hatte und hierfür hohe Schulden aufgebaut hat. Zusätzlich gab es in der Zeit politische Unsicherheiten, wie die Watergate-Affäre von Präsident Nixon. Der Markt hat aufgrund dieser Zutaten eine Inflation am Horizont gesehen. Da der Kauf und Besitz von Gold als vermeintlicher Inflationsschutz damals verboten war (bis 1974) suchte man als Alternative Unternehmen mit hohem Wachstum.

Klingt doch wie heute, oder?Derzeit glauben auch viele an Aktien als Schutz vor Inflation.

Die damals attraktiven Nifty Fifty Unternehmen (einen offiziellen Index hierfür gab es nie) erreichten Bewertungen auf Basis des Kurs-Gewinn-Verhältnisses in ungeahnten Höhen. McDonald’s wurde beispielsweise auf dem Höhepunkt mit einem KGV von 85,7 gehandelt. Der bekannte Professor Jeremy Siegel hat 1998 rückblickend denn Durchschnitt der Nifty Fifty Unternehmen auf ihrem Höhepunkt im Dez-1972 mit einem KGV von 41,9 berechnet. Der breite S&P 500 lag damals bei 18,9. Somit wurde für diese Wachstumsunternehmen ein Premium (also ein Aufschlag) von 120% gezahlt.

1973/74 schlitterte die US-Börse in einen Bärenmarkt. Die vermeintlichen Aktien für die Ewigkeit enttäuschten in dieser Zeit die Anleger und wurden mit Kursverlusten von bis zu 80% abgestraft.

Rückblickend sprechen viele von einer Bewertungsblase, die platzen musste. Ähnlich wie heute.

Jeremy Siegel bewertet die Blase

Professor Siegel hat 1998 einmal nachgerechnet, ob die Unternehmen langfristig gesehen tatsächlich in einer Blase gewesen sind.

Die Studie hierzu verlinke ich unterhalb des Videos.

Hätte man die Nifty Fifty-Unternehmen auf ihrem Höhepunkt im Dez 1972 gekauft und bis 1998 gehalten, wäre die durchschnittliche Rendite bei stattlichen 12,2% gewesen. Der S&P 500 hätte im gleichen Zeitraum mit 12,7% sogar mehr gebracht.

Zum einen hat er damit aufgezeigt, dass langfristig die Nifty Fifty Unternehmen zusammen die Bewertung gerechtfertigt waren. Aber hier ist zu betonen, dass es sich um das Halten von über 25 Jahre handelt und aller Unternehmen im Mix!

Er hat nämlich auch festgestellt, dass die Einzelunternehmen nicht zu jedem Preis hätten gekauft werden sollen. Die 25 höchstbewerteten haben in den kommenden 25 Jahren im Schnitt gerade mal die hälfte der Rendite der 25 am niedrigsten bewerteten Unternehmen erzielt.

Daneben weist er darauf hin, dass mit dem Kauf der 25 am niedrigsten bewerteten Unternehmen im darauffolgenden Bärenmarkt überdurchschnittliche Renditen erzielt werden konnten. Im Gegensatz zu den vermeintlichen High-Flyern.

Eine andere Studie von Jeff Fesenmaier und Gary Smith vom Pomona College zeigt noch einen dezidierteren Blick auf die Entwicklung dieser Unternehmen.

Da es keine offizielle Nifty Fifty-Liste gab, beziehen sich Fesenmaier und Smith im Gegensatz zu Siegel auf von zwei Banken geführten Nifty Fifty-Unternehmenslisten. 24 Unternehmen sind auf beiden Listen geführt. Fesenmaier und Smith haben die Terrific 24 analog zu Siegel analysiert und kommen im Zeitfenster 1972 bis Dez 2001 auf eine vollkommen andere Sicht.

Hätte man die Terrific 24 auf ihrem Höhepunkt in einem Basket gekauft und bis Ende 2001 gehalten, wären diese um 50% weniger Wert gewesen als der Kauf des S&P 500 Index zur gleichen Zeit.


Quelle: Pomono College

Auf der Unternehmensliste von Kidder Peabody stand jedoch ein Unternehmen, welches bei einem direkten Kauf als Jackpot gezählt hätte. Die Supermarktkette Wal-Mart konnte bis 2001 durchschnittlich 27% p.a. seit ihrem Hoch im Dez-1972 zulegen. Damals wies das Unternehmen ein KGV von 52,1 auf.

Die Nifty Fifty-Zeit zeigt ähnliche Rahmenbedingungen wie heute auf. Hohe Staats-Verschuldung und politische Unsicherheiten trieben das Inflations-Gespenst. Potenzielle Wachstumsunternehmen galten für die Marktteilnehmer als Inflationsschutz. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass erst nach dem Platzen des Nifty Fifty-Hypes in den USA die Inflation und die Zinsen rasant anstiegen. Die Nifty Fifty-Aktien hatten jedoch in dieser Zeit einen großen Teil ihres Wertes verloren. Schicksal. Somit waren in der Boom Phase der Kauf von Aktien kein Schutz vor Inflation.

Zusammenfassung – Aktien als Schutz vor Inflation

Die Moral der Geschichte und Learnings lauten für uns wie folgt:

  1. Selbst großartige Unternehmen sollte man nicht zu jedem Preis kaufen!
  2. Kurzfristig – 3 bis 5 Jahre – können Aktien Wertvernichter sind. Langfristig 20-30 Jahre sind jedoch die richtigen Unternehmen eine Wohlstandsmaschine!
  3. Wie Siegel zeigt, zählt am Ende die Bewertung. Die 25 am niedrigsten bewerteten Unternehmen haben langfristig die beste Performance ausgewiesen. Vor allem auch nach einer Korrektur oder einem Crash.
  4. Die am höchsten bewerteten Unternehmen konnten den überzogenen Bewertungen nicht standhalten. Langfristig hätten gerade diese Unternehmen den Markt underperformed.
  5. Es gibt immer außergewöhnliche Unternehmen wie Wal-Mart, die langfristig den Markt um Längen schlagen. Hier sind hohe KGVs nicht ungewöhnlich. Sie zu finden ist schwer und setzt viel Erfahrung vor allem in der Branche voraus. Sicher gehört auch etwas Glück dazu.

Für alle, die sich nicht mit dem Investieren in Einzelunternehmen nachhaltig auseinandersetzen gilt auch hier wieder: Ein kostengünstiger ETF hätte auf lange Sicht einen Basket aus den vermeintlich stärksten Unternehmen seiner Zeit geschlagen!

Ergänzung für alle, die den Markt timen wollen:

Howard, einer der größten Value Investoren der US-Geschichte, hat 1993 in seinem Memo an seinen Kunden geschrieben: „Die durchschnittliche Rendite von Aktienanlagen von 1926 bis 1987 lag bei 9,44%. Wäre man in Cash gegangen und hätte die besten 50 von den 744 Monaten verpasst, die Rendite wäre bei null gewesen. Dies zeigt mir, dass der Versuch den Markt zu timen Risiko ist und keine Absicherung!“

Weiterführende Links

Siegel Nifty Fifty Revisted
Fesenmaier & Smith Studie
NYT Artikel Infrastruktur USA

Investieren lernen

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